Autorin: Christina Diamantis
In den Medien gehypt als Mode- und Buzzword, dass aus Sicht der Laien viel zu schnell benutzt wird. Besonders gerne von den verlassenen „ crazy“ Ex- Frauen und Freundinnen, um einfach „nur“ einen Egoisten zu beschreiben. Als Phänomen „unserer Zeit“ abgestempelt, wo doch jeder ein wenig narzisstisch sei, ist Narzissmus das neue Normal geworden, weil die Wissenschaft und die Lobby der Psychologie versagt hat.
Die traurige Wahrheit ist: Narzissmus ist weder ein Modewort, noch ein Phänomen, dass erst seit der Generation Gen Z ein Problem darstellt. Er existiert seit Jahrhunderten, und ist tief verankert in unserer patriarchalen Gesellschaft.
Narzissmus ist kein Synonym für Selbstbewusstsein oder Selbstliebe. Narzissmus ist auch keine Diagnose wie die narzisstische Persönlichkeitsstörung, sondern ein deskriptiver Begriff für bestimmte negative Verhaltensweisen die verheerende Auswirkungen auf unser Umfeld haben, und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen belasten. Unabhängig davon ob es familiäre, partnerschaftliche oder berufliche Beziehungen sind. Narzissmus kostet die Wirtschaft Geld, das
Gesundheitssystem Therapieplätze für Opfer, die es nicht abdecken kann und Menschen ihre körperliche und psychische Unversehrtheit.
Wenn wir über Narzissmus sprechen, haben die meisten von uns einen bestimmten Typus Mensch im Kopf. Namen wie Donald Trump und anderer zahlreiche Hollywoodschauspieler, fallen in unseren alltäglichen Unterhaltungen mit Freunden und Familie. Jeder ist willig zu bestätigen, dass wir in einer narzisstischen Gesellschaft leben, aber keiner will einer sein. Zumindest ist es niemand den wir persönlich kennen, nicht wahr ? Ein fataler Trugschluss, denn diese Rechnung geht nicht auf. Bis heute ist sich die Wissenschaft nicht einig wenn es über das Konzept von Narzissmus geht. Mythen und Halbwahrheiten die sich hartnäckig
rund um das Thema halten bedeuten schwerwiegende Folgen, nicht nur für Opfer von Gewalt, sondern für die gesamte Gesellschaft.
Narzissmus ist eben nicht nur die Arroganz, Überheblichkeit und Eitelkeit die uns in anderen Menschen begegnet, sondern vor allem : Der Mangel, wenn nicht die völlige Abstinenz, von emotionaler Empathie und Mitgefühl, sowie die Unfähigkeit zur Selbstreflexion. Die Grundlage von jeglicher Form von Gewalt, und das Gegenteil des Wir- Gefühls.
Narzisstisches Verhalten ist somit kein individuelles Problem, sondern ein gesellschaftliches. Jeder von uns kann Opfer von narzisstischer Gewalt werden. Insbesondere in Liebesbeziehungen verläuft narzisstische Gewalt nach Drehbuch. Folgende Phasen sind fester Bestandteil in der Entstehung von toxischen Beziehungsverläufen.
Phase 1: Lovebombing
Hier wird das Opfer idealisiert und aufgewertet. Zwischen Täter und Opfer entsteht eine vermeintlich tiefe emotionale Verbindung, und das für gewöhnlich in einem sehr kurzem Zeitraum. Durch die übermässige Präsenz und Überschüttung von Komplimenten und Aufmerksamkeiten seitens des Täters, wird ein Verhältnis der Abhängigkeit (Traumabond) erschaffen.
Phase 2: Devaluation
Der Missbrauch und die Gewalt beginnt, mal mehr mal weniger subtil. Ein abwertender Kommentar der als Witz verpackt ist hier, ein Augenrollen oder schweigen dort, sorgt für erste Verunsicherungen bei Opfern. Nachdem emotionalen Hoch der Lovebombingphase, können Opfer das „neue“ Verhalten des Täters nicht zuordnen. Die zweite Phase dauert am längsten. Sie zeichnet sich aus durch einen immer wiederkehrenden Zyklus von Idealisierung und Missbrauch. Hier treten verschiedene Formen der Gewalt auf. Psychische, körperliche soziale sowie auch finanzielle und sexualisierte.
Phase 3: Discard, die Entsorgung.
Täter entsorgen ihr Opfer von jetzt auf gleich und ersetzen es mit der nächsten. Wenn gemeinsame Kinder oder gemeinsame Immobilien und Verbindungen bezgl. Arbeit wie z.B. Firmen bestehen, beginnt jetzt die sogenannte Nachtrennungsgewalt. Es wird auch lange nach der Trennung Zwangskontrolle sowie Macht ausgeübt.
Phase 4: Hoovering, die Reue und Rückholaktionen des Täters.
Beginnt das Opfer ein neues Leben und ist dabei abzuschliessen, fangen Täter an ihre Opfer mit Einsicht, Reue und Versprechungen der Besserung, wiederzugewinnen. Doch dies geschieht nicht aus Liebe, sondern ist pure Kalkulation und Strategie. Ist das Opfer nicht gestärkt und sicher in
einem stabilen sozialen Umfeld, besteht die Gefahr aufgrund des Traumabonds, wieder zum Täter zurückzugehen.
Und die Phasen beginnen von neuem.
Zwischenmenschliche Beziehungen zu Narzissten fühlen sich an wie „Seelenverwandschaft“ begleitet durch viel Leid und Schmerz, und unzähligen ON-OFF Phasen, die in Depressionen, Posttraumatische Belastungsstörungen bis hin zu Suizidgedanken für die Opfer enden. Kurz um: Narzisstische Beziehungen zerstören.
Die Rolle der Gesellschaft bei der Aufrechterhaltung toxischer Beziehungen
„Die Sichtbarkeit von Gewalt, definiert nicht ihre Existenz, die Stimmen der Opfer tut es.“
Christina Diamantis ist Paartherapeutin und Expertin für toxische Beziehungen und Narzissmus. Selbst vier Jahre in einer narzisstischen Beziehung gefangen steht sie ihren Klient:innen mit viel Empathie und Fachwissen zur Seite. Auf ihrem Instagram Kanal klärt sie regelmäßig über Gewalt in Beziehungen auf und spricht in ihrem Podcast „Ich bin die dritte Frau“ mit Frauen über den narzisstischen Missbrauch, den diese erfahren haben.